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Kinetische Installation, 1991/92

(Feder)stahl, Schaumstoff, Sackleinen, Asche, Motoren

 

Zur Installation von Josefine Günschel in der Galerie o zwei

Wahrhaft ein November-Stück in der Galerie o zwei. Wer sich entschließen kann, seine dämmrige Höhle zu verlassen, den Oblomov beiseite zu legen und sich auf den Weg macht, mit hochgeschlagenem Mantelkragen übers dunkelglänzende Pflaster hinein in den hellerleuchteten Galerieraum, findet dort einen anschaulichen Exkurs zur Motorik der Melancholie.

Günschel, die als Spezialistin für zart-stichelnde Wahrnehmungsinterventionen unter anderem in den „nachtbogen”-Projekten in Erscheinung getreten ist, wendet sich mit ihrer Installation der „faulen Last der Erden”, wie die Melancholie sich in den Worten eines Barockdichters selbst kennzeichnet, zu.

Mit der Faulheit ist es eine Last, die vor allem darin besteht, sie zu überwinden. Der Zustand dieser Überwindung ist zumeist von den völlig unheroischen Gebärden des Widerwillens durchsetzt. Und Widerwille teilt sich am deutlichsten in Körperhaltungen und Bewegungsabläufen mit, der Körper entlarvt innere Zustände, die die Sprache lieber umwandelt und der Wahrnehmung verbirgt.

Günschel stellt eine Reihe von fünf aschgrauen Schaumstoffsäulen in den Raum und setzt sie den kicks von metallisch ächzenden Anstoßmaschinen aus. Die Säulen schwanken, nicken, kippen vornüber und fallen dann wieder beinahe in den Ruhezustand zurück. Die Anstöße sind so dosiert und verteilt, daß sich der rechte Schwung nicht einstellen will. Zwischendurch stehen die Säulen still, die Schwere, die sich in ihren Bewegungsabläufen mitteilte, weicht der schwebenden Gelassenheit des Ruhezustandes.

Daß Ruhe in gegensätzlichen Empfindungszonen erlebt werden kann, als freiwilliges Loslassen, einsichtiges oder resigniertes Seinlassen, erzwungenes Bleibenlassen, nicht-Tun und Stillhalten, daß sie als tiefes Ausatmen, aber auch als kalte Erstarrung in Erscheinung tritt, daß sich eine beunruhigende Vielfalt von Zuständen in einer Kennzeichnung verbirgt, ist nur einer der Assoziationsströme, den die Arbeit von Günschel in Gang setzt.

Das Bewegungsgefüge, das sie ausschnitthaft darstellt, ruft beim Betrachter ganz körperlich die Erinnerung an die Mühe des Daseins wach, die oft komische Unbeholfenheit und Vergeblichkeit unserer Anläufe, mit der Trägheit des Körpers auch die Trägheit des Herzens zu überwinden.
Und daß sich über die Wahrnehmung einer Bewegung dem Betrachter die Komplexität innerer Umstände unmittelbar erschließt, spricht für die Kraft und Genauigkeit der Installation. „Man teilt sich nie Gedanken mit, man teilt sich Bewegungen mit, mimische Zeichen, welche von uns auf den Gedanken hin zurückgelesen werden” (Nietzsche)

Christine Hoffmann